Die wichtigsten Erkenntnisse:
- CO2e, das bei der Entwicklung und Fertigung eines Produkts „versteckt“ wird, kann die Bilanz eines Herstellers gefährden
- Erfahren Sie, wie Hersteller gebundenen Kohlenstoff reduzieren und andere Schwerpunkte im Bereich der Nachhaltigkeit für 2024 angehen
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Die Fertigungsindustrie erlebt einen entscheidenden Moment bei der Dekarbonisierung. Trotz einiger Fortschritte bleibt das Ziel von Netto-Null-Emissionen schwer zu erreichen, da viele Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsversprechen entweder aufschieben oder zurückschrauben, so EY.
Die wirtschaftlichen Auswirkungen einer nachhaltigen Fertigung nehmen weiter zu. Dazu gehören Kohlenstoffzölle auf Importe, die nicht den Nachhaltigkeitsstandards entsprechen, staatliche Anreize zur Förderung des Verkaufs umweltfreundlicher Produkte und der Druck von Kunden/Investoren, messbare Erfolge bei der Dekarbonisierung zu erzielen.
Glücklicherweise können Hersteller den Rückstand immer noch schnell aufholen und/oder ihre Fortschritte bei der Nachhaltigkeit dazu nutzen, ihren Wettbewerbsvorteil auszubauen.
Der Ausblick auf eine nachhaltige Fertigung im Jahr 2024 von aPriori zeigt Möglichkeiten im Bereich der gebundenen Kohlenstoffemissionen auf. In den ersten beiden Abschnitten wird der Begriff „Embodied Carbon“ definiert und erklärt, warum er für das Thema Klimawandel so wichtig ist. Dann wird näher untersucht, wie Hersteller während des gesamten Lebenszyklus der Produktentwicklung die Menge an gebundenem Kohlenstoff reduzieren können, ohne Abstriche bei der Wirtschaftlichkeit oder Innovation zu machen.
- Was ist Embodied Carbon?
- Warum gebundener Kohlenstoff die Treibhausgasbilanz beeinflusst
- „Versteckte CO2e“ mit datengestützten Produktentscheidungen aufdecken
- Kosten- und CO2-Optimierung vorantreiben
- Kohlenstoffkosten mit internen Kohlenstoffpreisen festlegen
- Finanzielle Strafen mit einer grünen Lieferkette umgehen
- Anreize zur Nachhaltigkeit optimal nutzen
- Der nächste Schritt in Richtung Net-Zero
1. Was ist Embodied Carbon?
Embodied Carbon, also gebundener Kohlenstoff, ist die Menge an CO2e, die bei der Herstellung eines Produkts ausgestoßen wird. Dies umfasst die Gewinnung und Veredelung von Rohstoffen, die Fertigung und die Montage. Unternehmen mit Einsicht in die Auswirkungen der Entwicklung und Fertigung von Produkten auf den Kohlenstoffausstoß können Möglichkeiten zur Reduzierung der Emissionen identifizieren, die aufgrund der Komplexität dieses Vorgangs oft nicht erkannt werden.
Die zweite wichtige Kategorie für Treibhausgasemissionen ist der operative Kohlenstoff, der in der Betriebsphase eines Gebäudes oder Produkts emittiert wird. Dies umfasst den Energieverbrauch, die Nutzung, die Handhabung und die Wartung eines Produkts oder einer Struktur.
2. Warum gebundener Kohlenstoff die Treibhausgasbilanz beeinflusst
Die Umstellung auf ein saubereres Energienetz nimmt immer mehr Fahrt auf. Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) wurde die weltweite Kapazität für erneuerbare Energien im Jahr 2022 um fast 13 % ausgebaut und wird bis 2023 voraussichtlich um ein Drittel steigen. Ein umweltfreundlicheres Energienetz in Verbindung mit Fortschritten bei der Elektrifizierung (z. B. Elektroautos, die Benzinautos ersetzen) reduziert den operativen Kohlenstoff.
Der Anteil des gebundenen Kohlenstoffs an den gesamten Treibhausgasemissionen nimmt zu, sodass es immer wichtiger wird, sich damit zu befassen. Laut dem US-amerikanischen Office of Science and Technical Information des Energieministeriums ist ein Viertel des globalen Kohlenstoff-Fußabdrucks in gehandelten Waren gebunden.
Dies variiert je nach Branche. Einem Bericht der Vereinten Nationen (UN) zufolge wird der gebundene Kohlenstoff in der Baustoff- und Bauindustrie zwischen 2020 und 2050 49 % der gesamten Kohlenstoffemissionen ausmachen. Das bedeutet: Fast die Hälfte des CO2e eines Bauprojekts wird bereits freigesetzt, bevor die ersten Mieter einziehen.
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Gebundener Kohlenstoff ist weitaus komplexer zu berechnen als operativer (beim Betrieb freigesetzter) Kohlenstoff. Die Hersteller müssen die gebundenen Kohlenstoff-Emissionen in ihren Entwicklungs- und Fertigungsprozessen zur Reduzierung der Erderwärmung jedoch messen können.
3. „Versteckte CO2e“ mit datengestützten Produktentscheidungen aufdecken
Ungefähr 80 % des gebundenen Kohlenstoffs und der Kosten eines Produkts werden bereits in der Entwicklungsphase festgelegt. Hersteller, die sich während der Produktentwicklung proaktiv mit den Kosten auseinandersetzen, weiten diese Fähigkeit auch zunehmend auf die Messung der Kohlenstoffbelastung eines Produkts in dieser Phase aus.
Das ist deshalb so wichtig, weil der CO2-Fußabdruck eines Produkts üblicherweise auf Basis von LCI-Daten (Life Cycle Inventory; Lebenszyklusinventur) für LCA-Tools (Life Cycle Assessment; Lebenszyklusanalyse oder auch Ökobilanz) berechnet wird, nachdem das Produkt bereits hergestellt wurde. Die Ökobilanz eines Produkts liefert den Benutzern riesige Mengen an CO2e-Daten für die verschiedensten Branchen, von der Landwirtschaft bis zur Automobilindustrie.
LCA-Daten als Ausgangspunkt für Einblicke in die Produktentwicklung
Aufgrund ihrer Tiefe und Komplexität werden LCI-Daten traditionell nur von Experten wie LCA-Forschern/Analysten und Nachhaltigkeitsmanagern herangezogen. Wenn sie keinen Zugriff auf LCA-Tools (und die Möglichkeit, mehrere Entwicklungsszenarien in Echtzeit zu testen) haben, können die Produktentwicklungsteams die Umweltauswirkungen eines Produkts in der Regel nicht reduzieren.
Ökobilanzen basieren in der Regel auf branchen- und anwendungsübergreifenden Durchschnittswerten, um die größtmögliche Benutzerbasis zu bedienen. So berechnet eine LCA-Software den Kohlenstoffgehalt in der Regel auf Basis der Fertigmasse. Für eine genauere Berechnung sollten Hersteller jedoch die Rohmasse analysieren, da hierbei auch der Materialabfall berücksichtigt wird. Die Berechnung der Rohmasse kann sich erheblich auf den tatsächlichen CO2e-Messwert auswirken und je nach Fertigungsprozess stark variieren. In einem Fall erzeugte ein Druckgussverfahren 4 % Materialabfall gegenüber knapp 70 % Materialabfall für das gleiche Bauteil.
Datengestützte Einblicke durch die geometrische Analyse von Entwicklungsdateien
Auch die Entwicklung eines Produkts kann sich auf die CO2e-Emissionen auswirken, aber dieses Maß an Granularität ist in LCA-Tools, die für die Bereitstellung globaler Durchschnittswerte konzipiert sind, nicht verfügbar. Ökobilanzen verlassen sich nämlich in der Regel auf Oberflächenmodelle, um den CO2e-Wert eines Produkts in erster Linie auf Basis der Masse und der verwendeten Materialien zu schätzen. Im Gegensatz dazu ist die geometrische Analyse eines 3D CAD-Designs genauer, da sie die Kohlenstoffemissionen für jede einzelne Produktkomponente (einschließlich Gehäuse/Oberfläche) ermittelt.
Stellen Sie sich zwei Produkte vor, die gleich aussehen und gleich viel wiegen. Das Produkt mit der dickeren Verkleidung weist wahrscheinlich höhere gebundene Emissionen auf, da für die Herstellung und Kühlung der dickwandigeren Komponenten ein längerer Herstellungszyklus erforderlich ist.
Kombination Ihrer Fertigungsdaten mit Ökobilanzschätzungen
Um sofort auf präzise Kohlenstoffdaten zugreifen zu können, nutzen führende Hersteller datengestützte Fertigungslösungen wie aPriori, die mit LCA-Daten integriert sind.
Ein wichtiger Punkt ist, dass Lösungen wie aPriori die Entwürfe genau analysieren und gleichzeitig digitale Fabriken und Prozesse modellieren, um präzise CO2e-Daten automatisch mit einer bestimmten Produktentwicklung und Fabrik abzugleichen. Unternehmen, die ihre Entwicklungs- und Fertigungsdaten auf diese Weise einsetzen, können anhand verschiedener Faktoren – angefangen beim verwendeten Material bis hin zu den Produktionsspezifikationen auf Maschinenebene – präzise Daten zu den Kohlenstoffemissionen erhalten.
Wie im folgenden Abschnitt erläutert, sind Einblicke in die gegenseitige Beeinflussung der Kosten und des Kohlenstoffausstoßes bei der Entwicklung eines Produkts von entscheidender Bedeutung.
4. Kosten- und CO2-Optimierung vorantreiben
Die Herausforderung bei der Reduzierung des gebundenen Kohlenstoffs besteht in seiner Komplexität. Mit herkömmlichen Methoden lassen sich die Kohlenstoffemissionen über komplexe Lieferketten und Fertigungsprozesse hinweg nur schwer genau messen und analysieren. Dadurch sind die Hersteller kaum in der Lage, fundierte Entscheidungen zu treffen.
Lösungen wie aPriori begegnen dieser Herausforderung durch die Bereitstellung datengestützter Einblicke in die gesamte Produktfertigung, darunter in 3D-CAD-Modelle (digitaler Zwilling), Fertigungsprozesse (Zwilling des Fertigungsprozesses) und spezifische Produktionsanlagen (digitaler Fertigungszwilling).
aPriori integriert die LCI-Daten von ecoinvent und ermöglicht es so den Produktentwicklungsteams, die Kosten und Kohlenstoffemissionen simultan zu bewerten. So können Sie zum Beispiel auch simulieren, wie sich Änderungen am Design, an den Materialien, am Fertigungsprozess und an einzelnen Fabriken auf die CO2-Emissionen und die Kosten auswirken können.
5. Kohlenstoffkosten mit internen Kohlenstoffpreisen festlegen
Was kostet Ihr Unternehmen der Kohlenstoff, und wie können Sie bei der Entwicklung eines Produkts den CO2e-Wert als Geldbetrag beziffern? Unternehmen führen interne CO2-Preise (Internal Carbon Pricing, ICP) ein, um der Reduzierung ihrer Treibhausgasemissionen einen strategischen Wert zuzuschreiben und die finanziellen „Kosten“ von Kohlenstoff als Orientierungshilfe für die Verbesserung der Nachhaltigkeit anzuwenden.
Indem jeder Tonne Kohlenstoff ein fester Preis zugeordnet wird, können Unternehmen einen direkten Vergleich anstellen, um effektive Geschäfts- und Investitionsentscheidungen zu treffen, wirksame Anreize für Abteilungen und Lieferanten zu schaffen und kohlenstoffarme Innovationen zu fördern.
Lösungen wie aPriori können anhand des ICP eines Herstellers Berichte über die Produktions- und Kohlenstoffkosten erstellen und prüfen, wie sich Änderungen in der Entwicklung auf die Kosten und den Kohlenstoffausstoß auswirken können.
6. Finanzielle Strafen mit einer grünen Lieferkette umgehen
Das CO₂-Grenzausgleichssystem (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) der Europäischen Union (EU) zielt darauf ab, die Wettbewerbsbedingungen zwischen EU-Unternehmen, die strenge Umweltvorschriften einhalten müssen, und ausländischen Unternehmen, die ihre Exporte teilweise dank geringerer Nachhaltigkeitsanforderungen billiger verkaufen können, zu nivellieren. Bei Inkrafttreten des CBAM im Januar 2026 werden kohlenstoffintensive EU-Importeure bestimmter Materialien oder Komponenten zum Kauf von Kohlenstoffzertifikaten verpflichtet sein.
Nach Schätzungen der Beratungsfirma BCG könnte die EU-Steuer die Kosten für Materialien, die von Herstellern mit höherem Kohlenstoffverbrauch wie China, Russland und Indien stammen, von heute auf morgen um 15 % bis 30 % erhöhen. Angesichts dieses potentiellen Anstiegs überdenken die Hersteller ihre Managementstrategie für Lieferanten im Hinblick auf den Standort ihrer Anbieter.
Um die potentiellen Auswirkungen des CBAM auf ihren Profit abzuschätzen, können die Hersteller eine regionale Kostenrechnung auf der Grundlage von ICP-Benchmarks oder der Kohlenstoffkosten des Emissionshandelssystems der EU (Emissions Trading System, ETS) durchführen. Zur Vereinfachung dieses Prozesses bietet aPriori fast 90 regionale Datenbibliotheken (aPriori RDBs) zum weltweiten Benchmarking von Produktionskapazitäten und typischen Fertigungskosten.
Beschaffungsteams können mithilfe unserer RDBs die Produktionskosten und den Kohlenstoffausstoß von Fabriken im chinesischen Shanghai, im indischen Westbengalen, in Nordmexiko, in Taiwan und in anderen Regionen vergleichen. Hersteller können mit aPriori auch Alternativentwürfe mit anderen Materialien, Fertigungsprozessen oder anderen Aspekten zur Dekarbonisierung eines Produkts bewerten. (Erfahren Sie mehr über die Lösungen von aPriori zum Thema CBAM.)
Die Pflicht zur Berichterstattung über Scope 3 (Lieferanten) fördert außerdem den Bedarf an einer umweltfreundlicheren Lieferkette. Ab 2026 werden die kalifornischen Gesetze SB 253 und SB 261 verpflichtende Angaben zu Klimaschutzmaßnahmen in der gesamten Lieferkette eines Unternehmens vorschreiben. Und die Corporate Sustainability Reporting Directive der EU (CSRD) wird eine ähnliche Nachhaltigkeitsberichterstattung nach Scope 3 vorschreiben, deren Inkrafttreten ebenfalls für 2026 geplant ist.
Dies erfordert die Zusammenarbeit und Partnerschaft mit Lieferanten, die sich zu nachhaltigen Praktiken verpflichtet haben. Durch den Einsatz von Tools wie den digitalen Fabriken von aPriori können Hersteller Einblicke in den CO2-Fußabdruck ihrer Lieferanten gewinnen, Verbesserungspotenziale ermitteln und einen kollaborativen Ansatz zur Reduzierung von Emissionen in der gesamten Wertschöpfungskette fördern.
7. Anreize zur Nachhaltigkeit optimal nutzen
Regierungen auf der ganzen Welt haben erkannt, wie dringlich Klimaschutzmaßnahmen sind, und führen verschiedene Anreizprogramme zur Förderung nachhaltiger Fertigungsverfahren ein. Der sogenannte CHIPS Act und der Inflation Reduction Act in den USA sowie Subventionen für erneuerbare Energien in Höhe von etwa 74 Milliarden Dollar in der EU sind Paradebeispiele für diesen Wandel. Sie bieten Unternehmen, die ihren Betrieb umweltfreundlicher gestalten, finanzielle und technologische Unterstützung.
Diese Anreize bieten den Herstellern wertvolle Möglichkeiten, in nachhaltige Technologien wie Elektrofahrzeuge zu investieren und diese zu vermarkten, ihren CO2-Fußabdruck zu verringern und sich einen Wettbewerbsvorteil auf dem Markt zu verschaffen.
8. Der nächste Schritt in Richtung Net-Zero
Eine klare Nachhaltigkeitsstrategie und ein Plan zur Erreichung ihrer Ziele schaffen die Grundlage, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Digitalisierung ist dabei für die schnelle und wirksame Senkung der Kohlendioxidemissionen eines Unternehmens von zentraler Bedeutung. Dies zeigt auch ein Bericht von BCG, wonach Unternehmen, die beim Thema Nachhaltigkeit eine Führungsposition einnehmen, die Emissionen auf Produktebene berechnen und beim Emissionsmanagement auf digitale Hilfsmittel zurückgreifen.
Wird Nachhaltigkeit in den Kern der betrieblichen Abläufe und der Strategieplanung eingebettet, können Hersteller eine Kultur der ökologischen Verantwortung schaffen und wichtige Veränderungen vorantreiben. Durch die Einbeziehung innovativer Technologien, die Zusammenarbeit mit Partnern und die Inanspruchnahme vorhandener Anreize können Hersteller ihre Ziele zur Reduzierung der CO2-Emissionen erreichen und den Weg in eine nachhaltigere Zukunft ebnen.